Arbeitserziehungslager im NS [1]


Propaganda-Plakat für den Arbeitseinsatz deutscher Mädchen in der Rüstungsfertigung. Quelle: Gabriele Lofti: KZ der Gestapo, Stuttgart/München 2000, S. 257. "Die Vorstufe für die Volksgemeinschaft ist die Kameradschaft in den deutschen Betrieben und Werkstätten, bei der Arbeit und im Alltag. Während Millionen in feldgrauen Rock unsere Grenzen hüten und den Angriff (!) der Feinde abwehren, müssen Millionen im Arbeitsrock ihrer täglichen Arbeit nachgehen und dabei Leistungen vollbringen, die im Umfang, in der Größe und Bedeutung denen der feldgrauen Front nicht nachstehen. Den Soldaten der Wehrmacht befähigt die Kameradschaft zum höchsten Opfer. Auch der Soldat der Arbeit wird die höchste Leistung nur in fester Gemeinschaft vollbringen. Diese Gemeinschaft duldet kein kleinliches Denken, keine Ichsucht und Gehässigkeit. Die Frage nach Lohn und Gehalt, nach Arbeitszeit und Urlaub ist in dieser Zeit gegenstandslos. Der Frontsoldat, der im Angesicht des Todes die Heimat verteidigt, kennt keinen Achtstundentag, keine Tag- oder Nachtschicht, keinen Urlaub und keinen Feierabend. Sein selbstverständlicher Einsatz muss bei unserer täglichen Arbeit Vorbild sein." [2]

Dieses Zitat ist typisch für das nationalsozialistische Verständnis von Arbeit. Der Kampf gegen die "Feinde" des Deutschen Reiches erforderte unbedingte Opferbereitschaft der ArbeiterInnen und führte zur Verschlechterung oder sogar zur Abschaffung von Rechten am Arbeitsplatz. Das betraf vor allem die Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen. Möglich wurde dies, weil bereits im April 1933 viele kommunistische Gewerkschafter von den Nationalsozialisten inhaftiert worden waren. Einen Monat später besetzten dann die SA (Sturmabteilung der NSDAP) und andere Nationalsozialisten die Büros aller Gewerkschaften, beschlagnahmten deren Vermögen und inhaftierten die Führungskräfte.

Nachdem die Vollbeschäftigung erreicht war, verschlechterten sich die Arbeits- und Lebensbedingungen: Die Arbeitszeit am Tag betrug teilweise bis zu 12 Stunden und ein Wechseln der Arbeitsstelle war nur mit der Erlaubnis des Arbeitsamtes möglich. Weil ohne die Gewerkschaften keine Proteste möglich waren, versuchten die Betroffenen ihre Arbeitsbelastung individuell durch vermehrtes Entziehen der Arbeitskraft zu reduzieren. Das wurde von den FaschistInnen als "Arbeitsbummelei", "Arbeitsvertragsbruch", "Arbeitsuntreue" oder sogar als "Arbeitssabotage" bezeichnet. Diese Verweigerungshaltung breitete sich immer mehr aus. Viele Unternehmen klagten über mangelnde Arbeitsdisziplin vor allem bei ausländischen ZwangsarbeiterInnen und zunehmend auch bei den eingesetzten deutschen Frauen.

Ursprünglich versuchten die Betriebe die Widerstände mit Geldstrafen und Entlassungen zurückzudrängen, doch zeigten die Sanktionsmaßnahmen fast keine Wirkung. Die Verfolgung der "Arbeitsvertragsbrüchigen" durch die Justiz war ebenfalls zu langwierig und uneffektiv. So wurden 1940 die ersten Arbeitserziehungslager eingerichtet, um ArbeiterInnen härter und schneller bestrafen zu können. Dies kam auch Heinrich Himmler sehr gelegen, der als SS-Reichsführer und Chef der Deutschen Polizei die Errichtung eines eigenen Wirtschaftsimperiums plante und dafür Arbeitskräfte benötigte.


Funktion der Arbeitserziehungslager

Westwallarbeiter auf dem Weg zur Baustelle. Quelle: Gabriele Lofti: KZ der Gestapo, Stuttgart/München 2000, S. 59. In der Vorbereitung des Krieges verfolgten die Nationalsozialisten eine autarke [3] Wirtschaftspolitik und versuchten die Wirtschaftsleistung durch mehr Arbeitskräfte und längere Arbeitszeiten zu erhöhen. Neben der allgemeinen Wehrpflicht wurde 1935 auch die Arbeitsdienstpflicht eingeführt. Im Artikel 1 des Reichsarbeitsdienstgesetzes vom 26.06.1935 heißt es: "Alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen. Der Reichsdienst soll die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Ausarbeitung (...) erziehen."[4]
Daneben wurden während des 2. Weltkrieges auch verstärkt Frauen, welche nach der faschistischen Ideologie eigentlich nicht arbeiten sollten, in der Produktion eingesetzt, da ein Mangel an männlichen Arbeitskräften herrschte. Längere Arbeitszeiten bedeuteten für den Einzelnen eine hohe körperliche und geistige Belastung, der viele Menschen nicht gewachsen waren. Um eben diese Männer und Frauen wieder voll in die Kriegsproduktion eingliedern zu können, wurden die "Arbeitserziehungslager" gegründet. Hier wurden die "Aufsässigen" bis zu 56 Tage als Polizeigefangene festgehalten und zu schwerster Arbeit gezwungen. Zweck der Arbeitserziehungslager (AEL) war es, jeglichen Willen zum Widerstand zu brechen und die Menschen in die völlige geistige Resignation zu treiben. Aus eben diesem Grunde wurden dort bald nicht nur alle "arbeitsunlustigen Elemente" (Zitat von SS- Reichsführer Himmler [5], sondern auch politische Gegner des Hitler-Regimes (z.B. GewerkschaftlerInnen, SozialistInnen, KommunistInnen, AnarchistInnen oder AntifaschistInnen) inhaftiert. Die "Arbeitsmoral" der Inhaftierten, vor allem der ausländischen Zwangsarbeiter, wurde jedoch lediglich durch drakonische Strafen des Lagerleiters und des Wachpersonals aufrechterhalten. In den Arbeitserziehungslagern ging es also nicht um die Erziehung zur Arbeit, sondern vorrangig um die Ausbeutung billiger Arbeitskraft von Häftlingen, da ihnen nur unzureichender oder mitunter gar kein Lohn gezahlt wurde.


Gründe für die Einweisung

Die Einweisung in ein AEL erfolgte ohne Gerichtsverfahren durch die Gestapo. Teile der Deutschen Arbeitsfront und das Arbeitsamt arbeiteten hierbei eng mit der Gestapo zusammen, indem sie z.B. deutsche und ausländische "Arbeitsverweigerer" meldeten. Außerdem wurden die verhaftet, die nach Ansicht der Gestapo das Staatssystem gefährden konnten, weil sie das deutsche Volk von einer anderen politischen Meinung überzeugen wollten oder einfach nur eine andere politische Meinung hatten. Schutzhaft war eine staatspolizeiliche Zwangsmaßnahme, die zur "Abwehr aller volks- und staatsfeindlichen Bestrebungen" verhängt werden konnte, wenn Personen angeblich durch ihr Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates gefährdeten. Ausländische Arbeitkräfte wurden oft aus anderen Gründen ins AEL verbracht. Zunächst hatte die deutsche Regierung im besetzten Ausland (insgesamt 26 Staaten) versucht Arbeitskräfte mit Hilfe von Propaganda für den Arbeitseinsatz in Deutschland zu gewinnen. Da auf diese Weise nicht genug Arbeitskräfte geworben werden konnten, wurden immer mehr Zivilisten und Zivilistinnen aus dem Ausland brutal nach Deutschland verschleppt, um die fehlende Arbeitskraft auszugleichen. Oftmals versuchten sie von ihren Arbeitsorten zu fliehen und in ihre Heimatländer zurückzukehren.


Lebensbedingungen

Baracken des AEL auf dem Essen/Mülheimer Flughafen, September 1943. Quelle: Gabriele Lofti: KZ der Gestapo, Stuttgart/München 2000, S. 151. Eine Form der Unterdrückung während der Haft war die Minderung des Selbstwertgefühls der Gefangenen. Die Häftlinge wurden von dem Wachpersonal zu immer härteren Arbeiten gezwungen und permanent entwürdigt, etwa durch Beschimpfungen, Unterschlagung der Mahlzeiten, Schläge, Todesdrohungen oder Nichtanerkennung der erbrachten Arbeitsleistung. Mit der Zeit wichen die Hemmungen der Bewacher mehr und mehr und die Lage verschärfte sich zusehends. Immer mehr glichen die Arbeitserziehungslager den Konzentrationslagern. Doch nicht nur die Arbeitsbedingungen waren unmenschlich, sondern auch die allgemeinen Lebensbedingungen. Oft waren zu wenig Toiletten vorhanden, die Waschstellen kalt und ungeputzt. Zudem konnte die Kleidung weder ausreichend gereinigt noch getrocknet werden. Auch die notwendige Versorgung mit Essen war nicht gewährleistet. Daher litten viele Häftlinge ständig an Hunger und Mangelerscheinungen. Durch diese Zustände war die Sterblichkeitsrate in den Lagern hoch. Häufige Todesursachen waren Hunger, Krankheit oder tödliche Verletzungen und Erschießungen ("Häftling auf der Flucht erschossen").


Haftdauer und Vergütung

Im Unterschied zu den Konzentrationslagern war die Haftdauer im AEL zeitlich begrenzt. In einem Erlass des Reichssicherheitshauptamtes vom 28.5.1941 hieß es, dass die Haftdauer 56 Tage sowohl für deutsche als auch für ausländische Häftlinge nicht überschritten werden sollte. Trotz dieser Regelung wurden viele Häftlinge weitaus länger festgehalten. Die sogenannten Besserungsbedürftigen erhielten bei 300 Arbeitsstunden einen monatlichen Bruttolohn von 198 Reichsmark. Davon wurden die Unkosten für Unterbringung, Verpflegung und Taschengeld abgezogen. Letztendlich verblieb lediglich eine Entlohnung von 80 Reichsmark. Da es an Tagen mit schlechtem Wetter den Häftlingen unmöglich war, volle Arbeitszeit abzuleisten, und eine Schlechtwetterregelung fehlte, verringerte sich die Vergütung auf bis zu 40 Reichsmark. Zum Teil bekamen die Häftlinge wegen der vielen Abzüge auch gar kein Entgeld. Den Familien der Inhaftierten fehlte nach der Festnahme oft die einzige Person mit festem Einkommen und sie waren auf staatliche Unterstützung angewiesen.


Insgesamt gab es reichsweit etwa 200 Lager an den verschiedensten Orten, in denen mehrere 100.000 Häftlinge inhaftiert und gequält wurden. Zur Erinnerung wurden an einigen ehemaligen Standorten der AEL Denkmäler oder Gedenksteine errichtet.