Meine Kindheit und Familie in der Weimarer Republik

Leah Shaw als KindIch heiße Leah Shaw und wurde im Juni 1919 in einer jüdischen Familie in Deutschland geboren. 1919, das war ein Jahr nach dem Ende des I. Weltkriegs, als nach dieser schrecklichen Erfahrung alle dachten, dass keine Kriege mehr geführt werden würden - was für eine Täuschung!
1933 ergriff Hitler die Macht in Deutschland, da war ich dann 14 Jahre alt. Wir wissen alle von den schlimmen Dingen die in Deutschland unter den Nazis passiert sind - nicht nur Juden wurden unterdrückt, misshandelt, umgebracht sondern viele Menschen in ganz Europa und ein noch schrecklicherer II. Weltkrieg fand statt.
Ich hatte Glück, ich war nie in einem KZ und konnte Deutschland im Alter von 19 Jahren verlassen. Ich hatte ein Leben, während so viele Millionen Menschen zu Grunde gingen.

Leahs Onkel als Flieger Geboren bin ich in Stuttgart, mein Vater, Bernhard Hermann, war Rechtsanwalt. Er kam aus einer Familie von Viehhändlern aus Nürtingen am Neckar. 1918 heiratete er Johanna Künstler aus Mannheim, deren Vater Schuhwarengroßhändler war. Beide Familien waren sehr deutsch-national, die Viehhändler richtige Schwaben. Die Eltern meiner Mutter waren absolut kaisertreu, auch noch währen meiner Jugend, als der Kaiser längst abgedankt hatte. Der Bruder meiner Mutter war im I. Weltkrieg Flieger gewesen, das war damals etwas ganz besonderes. Die Orden, die er erhalten hatte, bekamen einen Ehrenplatz in einer Vitrine im Wohnzimmer meiner Großeltern.

Leahs Eltern Meine Eltern haben sich nach drei Jahren scheiden lassen, danach lebte ich mit meiner Mutter bei diesen Großeltern in Mannheim. Sie haben ihre jüdische Religion ernst genommen, mein Großvater nahm mich jeden Sabbat (Samstag) mit in die Synagoge. Auch hielten sie sich weitgehend an die jüdischen Speisegesetze, das Essen war koscher.

An die Reichspräsidentenwahlen von 1932 kann mich noch gut erinnern. Den Reichspräsidenten Hindenburg - nur ein Jahr später sollte er Hitler zur Macht bringen - haben ich und meine Familie regelrecht angebetet. In diesem Jahr starb mein Großvater, mein Vater war schon 1927 gestorben, mein Onkel kam 1926 bei einem Autounfall ums Leben. So bestand meine engere Familie 1933, als Hitler zur Macht kam, nur noch aus meiner Großmutter, meiner Mutter und mir. Hitler hat immer wieder gesagt, dass Juden keine Deutschen sind, das haben wir überhaupt nicht verstanden, für uns war unser Deutschsein ganz selbstverständlich. Deutsche Vornamen waren gang und gäbe in der Familie, nicht nur bei meinen Eltern. Andere Verwandte hießen Paul, Elise, Wolfgang, Heinrich, Hermine, mein Name war damals Lieselotte. Ich hatte solch ein Bedürfnis zur deutschen Gesellschaft zu gehören, dass ich im Jahr 1932 einen Weihnachtsbaum für unser Klassenzimmer in der Schule spendierte, obwohl oder gerade weil wir zu Hause keinen hatten.