Schlusswort

Leahs Mutter im Kriegseinsatz Wie ich am Anfang gesagt habe, mir persönlich ist das Schlimmste erspart geblieben. Alle badischen Juden, einschließlich meiner Mutter, sind im Herbst 1940 in den Süden Frankreich deportiert worden. Sie kamen in ein Lager das Gurs hieß. Das war zwar kein KZ, aber die Lebensbedingungen waren ähnlich schlecht. Viele starben dort, darunter auch meine Mutter im Juni 1942. Zwei Monate später fuhren aus Gurs die ersten Deportationszüge nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager. Auch der älteste Bruder meines Vaters wollte Deutschland nicht verlassen. Er sagte immer: "Einen alten Baum verpflanzt man nicht." Die Nazis haben ihm versprochen, dass er sich in ein jüdisches Altersheim einkaufen könne. Er hat also viel Geld bezahlt, doch sie haben ihn betrogen, er kam mit fast 80 Jahren nach Theresienstadt ins KZ und ist dort gestorben.
Viele Menschen, die ich kannte sind von den Nazis ermordet worden. Alle, die nicht in der Lage waren, rechtzeitig auszuwandern, weil sie es sich nicht leisten konnten oder weil sie keine Einreiseerlaubnis erhielten, fielen dem Völkermord zum Opfer.

Im Gegensatz dazu bin ich am Leben geblieben, aber die Erfahrungen von 1933 bis 1938 haben ihre Spuren in meinem Leben und meinem Charakter hinterlassen. Dass man von einem Tag auf den anderen zum Untermenschen gemacht wurde, die Basis seines Lebens verlor, dass man in Furcht leben musste, die man eigentlich nie los geworden ist, dass man zu einer Gruppe von Menschen gehört, die ausgerottet werden sollte, das prägt tief. Außerdem ist mir das Gefühl abhanden gekommen, irgendwo richtig zu Hause zu sein. Ich empfinde Deutschland nicht als meine Heimat, aber auch England nicht, weil ich eine grundsätzliche Unsicherheit habe dazu zugehören, die sich auch auf meine Kinder drei Kinder übertragen hat. Diese sind in der ganzen Welt verstreut.

Ich bin heute gekommen, um Euch von der Nazi Zeit zu erzählen, nicht um anzuklagen, sondern um es euch zu ermöglichen, zu verstehen. Zu verstehen, was damals geschehen ist, dass man eine ganze Gruppe von Menschen ihrer Rechte, ihrer Würde, schließlich ihres Lebens beraubt hat. Das Schlimme ist, dass ähnliches auch heute noch in der Welt geschieht, nicht nur weit weg, sondern auch in Europa. In England werden Asylbewerber sehr oft gar nicht als Menschen behandelt und es existiert sehr viel Fremdenfeindlichkeit. Ich glaube, dass es in eurem Lande auch so etwas gibt. Wir alle müssen wachsam sein in dieser Beziehung, aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass was mit Diskriminierung anfängt mit Völkermord endet.